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Arbeitszeiterfassung und Urlaubsansprüche

In den vergangenen Jahren waren die Arbeitszeiterfassung und Urlaubsansprüche in der politischen Diskussion, aber auch in Verfahren bei hohen und höchsten Gerichten regelmäßig Thema. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben dazu jüngst verschiedentlich Entscheidungen getroffen. Insbesondere das Rechtsprechungsorgan in Luxemburg hat hier mehrfach vorgelegt.

In einem Fall, in dem es eigentlich „nur“ um betriebsverfassungsrechtliche Fragen ging, hat das Bundesarbeitsgericht das Thema Arbeitszeiterfassung thematisiert und eine umfassende Zeiterfassung eingefordert. Eigentlich ging es dem klagenden Betriebsrat um die Mitbestimmung bei der Einführung einer Zeiterfassung. Dies hat das BAG abgelehnt und stattdessen festgestellt, dass sich alle Mitarbeiter, also auch Führungskräfte, einer Zeiterfassung unterwerfen müssen. Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit ergäbe sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das wiederum gilt für alle Beschäftigten unterschiedslos.

Viele Firmen haben mittlerweile eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit eingeführt. Dies ist jetzt nicht mehr gesetzeskonform, wie das BAG feststellte. Gesetzeskonform ist nur die exakte Erfassung der Arbeitszeit. Diese Verpflichtung besteht nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ohne weitere gesetzliche Verpflichtung aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Hiernach ist der Arbeitgeber „(…) verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.“ Dabei wird ihm durch das Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

Nach der Entscheidung des BAG sind also ab jetzt Arbeitszeiterfassungssysteme Pflicht. Technische Vorgaben macht das Gericht nicht. Theoretisch würden Listen oder sogar eigene Aufzeichnungen des Arbeitnehmers reichen. In jedem Fall sollte ein „System“ vorliegen. Das Urteil könnte auch Arbeitsschutzbehörden auf den Plan rufen, das eine oder andere Mal häufiger zu kontrollieren. Wer Arbeitnehmer auf Vertrauensarbeitszeitbasis beschäftigt, sollte sich daher intensiver mit dem Urteil befassen. Genauso, wer lediglich Aufzeichnungen über die „mehr“ geleistete Arbeitszeit verlangt. Auskunft hierüber können die Berater geben.

Resturlaubstage verfallen nicht

Ein weiteres Urteil führt derzeit zu intensiven Diskussionen: Der EuGH hat in diesen Tagen zum Thema Urlaub entschieden. Nicht genommener Urlaub verfällt nicht und verjährt grundsätzlich auch erst einmal nicht. Begründet hat der EuGH dies mit dem besonderen Schutz, den das Sozialrecht in der Europäischen Union genießt und der zwingenden Charakter hat. Einschränkungen dieses Rechts sind deshalb grundsätzlich unzulässig. In seiner Begründung führt das höchste europäische Gericht weiter aus, dass es für den Arbeitnehmer möglich sein muss, den ihm zustehenden Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Damit der Arbeitnehmer diese Option hat, ist es aber erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gelegenheit gibt oder in anderen Fällen geben kann, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen greifen im Regelfalle nicht mehr. 

Man kann hier verschiedene Fallgruppen unterscheiden. Zum einen muss es zeitlich möglich sein, den vor dem Verfall stehenden Urlaub zu nehmen. Ist dies nicht der Fall, verfällt der Urlaub nicht, sondern wird weiter übertragen. Zum anderen darf in der Person des Arbeitnehmers kein Hindernis bestehen, den Urlaub zu nehmen. Ist der Arbeitnehmer krank oder aus sonstigen Gründen verhindert, verfällt der Urlaub nicht. In Deutschland verjährte dieser Urlaubsanspruch bisher nach 15 Monaten. Dies gilt jetzt nicht mehr. Entsprechende Regelungen verstoßen gegen das europäische Recht und sind unwirksam. 

In einer weiteren Entscheidung, die der EuGH in diesem Zusammenhang getroffen hat, begehrte ein Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung, weil er wegen zu hohen Arbeitsaufkommens seinen Urlaub nicht nehmen konnte. Auch hier hat das Gericht zugunsten des Arbeitnehmers geurteilt. Es sah hier den Arbeitgeber in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nehmen kann. Mit den oben beschriebenen Folgen. Der Arbeitnehmer behält seinen Urlaubsanspruch und in diesem Falle seinen Abgeltungsanspruch.

Als Schlussfolgerung kann in diesen Fällen nur empfohlen werden, den Arbeitsanfall und die Urlaubszeiten so zu organisieren, dass Urlaub genommen werden kann und nicht von Jahr zu Jahr übertragen wird. 

Quellen:
Bundesarbeitsgericht, Aktenzeichen 1ABR 22/21, 13.09.2022
Europäischer Gerichtshof, Aktenzeichen C-518/20 und C-727/20 sowie C-120/21

Stephan Zieger, bft-Geschäftsführer

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