Mobilität der Zukunft – Plädoyer für synthetische Kraftstoffe

Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Immer wenn wir uns das fragen, sehen wir Flugtaxis und surrende Elektrofahrzeuge durch die Gegend fliegen beziehungsweise fahren. Alleine wegen der vielen Flugtaxis werden wir gerade in den Ballungsräumen keine Staus mehr haben. Eine goldene Zukunft – leise, frei von Emissionen und klimafreundlich.

Schauen wir uns jedoch die Pläne der EU-Kommission und der Bundesregierung an, wird die Geräuschkulisse schon etwas lauter. Zehn Millionen Elektroautos sieht die Bundesregierung im Jahre 2030 auf Deutschlands Straßen, 15 Millionen im Jahre 2035. Dann tritt auch das sogenannte Verbrennerverbot in Kraft, also die Auflage, dass keine neuen Verbrennerfahrzeuge mehr verkauft werden dürfen. Und Flugtaxis sind immer noch nicht in Sicht …

Stimmen die Planzahlen, dann ist 2030 ein knappes Viertel und 2035 ein knappes Drittel der Fahrzeuge in Deutschland ein Stromer. Zur Erinnerung: Die bundesdeutsche Fahrzeugflotte ist im Jahre 2023 fast 49 Millionen Fahrzeuge stark, davon etwa 47 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (Europa: 300 Millionen, weltweit: 1,3 Milliarden). Etwas mehr als eine Million Fahrzeuge im Bestand sind rein batterieelektrische Pkw. Das für 2035 anvisierte Ziel ist damit sehr ambitioniert. Zu klären sind bei der Elektrifizierung des Verkehrs vor allem Fragen der Rohstoffe und der Verfügbarkeit von grünem Strom in Deutschland. 

Die Frage lautet also: Welche Möglichkeiten einer klimafreundlichen Mobilität gibt es außerhalb der reinen Elektrifizierung des Verkehrs? Denn Strom muss in ausreichender Menge – und damit mehr als bisher – zur Verfügung stehen. Und er muss grün sein, denn sonst gibt es keine positiven Klimaeffekte. Angesichts der vielen Wirtschaftsbereiche, die grünen Strom benötigen, ist dies eine große Herausforderung. Sie kann nur beantwortet werden, wenn man keine Möglichkeit ausschließt. Und Deutschland ist insoweit nur eine Blaupause für die globalen Herausforderungen. Dort ist die Frage des ausreichend vorhandenen grünen Stroms noch schwieriger zu beantworten.

Folglich gilt: Globale Herausforderungen bedürfen globaler Lösungsansätze. Klingt einfach, ist aber eine der wohl größten Aufgaben, vor der wir aktuell stehen. Die meisten Experten sind sich darin einig, dass eine gesamtgesellschaftlich umsetzbare Antwort auf die Frage der Energieversorgung nur aus einem sauberen Energiemix bestehen kann. Hier können flüssige synthetische Kraftstoffe helfen. Man unterscheidet zwischen E-Fuels (Power-to-X, PtX) und biobasierten, synthetischen Kraftstoffen wie Hydrotreated Vegetable Oils (HVO). 

E-Fuels (Power-to-X, PtX)

E-Fuels sind synthetisch erzeugte flüssige Kraft- und Brennstoffe auf Basis von Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2). Sie werden mit Hilfe von erneuerbarem Strom wie Wind und Sonne in den Regionen hergestellt, in denen die regenerative Energie quasi unbegrenzt zur Verfügung steht. Das Kohlendioxid kann beispielsweise aus der Luft oder aus Industrieprozessen genutzt werden. So wird bei ihrer Verbrennung kein zusätzliches CO2 frei, sondern nur das, was bei ihrer Herstellung vorher gebunden wurde. E-Fuels gelten deshalb als CO2-neutral. 

Es gibt unterschiedliche Verfahren für die Herstellung: E-Fuels benötigen zunächst Wasserstoff („Wasserstoff-Folgeprodukte“), der wiederum mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird. Für die Elektrolyse von CO2-neutralem Wasserstoff wird Strom aus erneuerbarer Energie verwendet. Ein Herstellungsprozess ist die Fischer-Tropsch-Synthese. Hier wird der Wasserstoff mit Kohlendioxid verbunden und so zu einem flüssigen Kraftstoff synthetisiert. Es gibt darüber hinaus den Weg über die sogenannte Methanisierung. 

E-Fuels sind sehr praxistauglich, weil sie chemisch herkömmlichen (fossilen) Kraftstoffen ähnlich sind: Sie sind leicht zu transportieren, sie können problemlos in den Motoren verwendet sowie in Tankstellen schnell und sicher getankt werden. Ein kostspieliger und zeitaufwendiger Aufbau einer neuen Infrastruktur ist nicht notwendig. E-Fuels erzielen aufgrund ihrer hohen Energiedichte eine ähnlich große Reichweite wie fossile Kraftstoffe. 

Gerne wird als Kritikpunkt bei E-Fuels das Thema Effizienz aufgeführt und dabei nicht auf die Gesamtsystemeffizienz eingegangen. Effizienz ist jedoch nur relevant, wenn ein Mangel an einer Ressource besteht. Weltweit gibt es allerdings keinen Mangel an grüner Energie. Bei der Betrachtung der Gesamtsystemeffizienz ist also wichtig, wo der grüne Strom produziert wird. Entweder fährt ein Elektroauto mit ineffizientem deutschen Grünstrom. Dann gleicht die hohe Effizienz des Elektromotors die Verluste der Stromproduktion aus. Oder Deutschland importiert grüne Energie aus Regionen, in denen sich Grünstrom sehr effizient „ernten“ lässt. Die Gesamtsystemeffizienz bewegt sich in beiden Fällen auf ähnlichem Niveau.

Doch ab wann wird es E-Fuels an deutschen Tankstellen geben? Das lässt sich schwer sagen. Kleinere Anlagen sind bereits in Betrieb, allerdings fehlen die politischen Rahmenbedingungen, um Unternehmen die Investitionssicherheit zu bieten, die für den Markthochlauf notwendig ist. Sollte dieser gelingen, werden sich voraussichtlich auch die Preise an die von fossilen Kraftstoffen annähern. „Wenn wir den Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen erst einmal geschafft haben, dann werden die Literpreise vergleichbar mit dem von fossilen Kraftstoffen sein. Damit ermöglichen wir dem Verbraucher nicht nur eine klimafreundliche, sondern auch eine bezahlbare Mobilität“, ist bft-Geschäftsführer Stephan Zieger überzeugt.

Hydrotreated Vegetable Oils (HVO)

Bereits heute an vielen Tankstellen verfügbar sind biobasierte synthetische Kraftstoffe. Unter anderem unter den Produktnamen KlimaDiesel, DieselProtect 25 und Diesel Maxx verkaufen einige mittelständische Tankstellen HVO als Beimischung oder in Reinform. Der Kraftstoff wird aus erneuerbaren und nachhaltigen Quellen wie Pflanzenölen, pflanzlichen und tierischen Fetten oder wiederverwertbaren Abfallstoffen wie Speiseölen und Fettresten hergestellt und ist damit eine Alternative zum rein fossilen Dieselkraftstoff. Als Beimischung spart er bis zu 25 Prozent CO2-Neuemissionen im Vergleich zu herkömmlichem Dieselkraftstoff und kann in allen Dieselfahrzeugen ohne Umrüstung getankt werden.

HVO100 besteht zu 100 Prozent aus Abfallstoffen und ist somit frei von Erdöl. Im Vergleich zu fossilem Diesel sinken die CO2-Neuemissionen um bis zu 90 Prozent. Diese Kraftstoffe zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie besonders wenig Energie für den Herstellungsprozess benötigen, weil der Abfallstoff bereits sehr viel Energie mitbringt. Hinsichtlich der Energieeffizienz sind solche Kraftstoffe deshalb unerreicht. Daher kann man diese Kraftstoffe auch in Ländern herstellen, in denen es noch keine Überschüsse an erneuerbarer Energie gibt.

Allerdings ist HVO – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern – in Deutschland (noch) nicht für den freien Verkauf an Tankstellen, sondern nur an einen geschlossenen Nutzerkreis zulässig. Die Ampelregierung hat sich jedoch im Frühjahr 2023 darauf geeinigt, die DIN EN 15940 (Norm Kraftstoffe – Paraffinischer Dieselkraftstoff aus Synthese oder Hydrierungsverfahren – Anforderungen und Prüfverfahren) in die 10. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) aufzunehmen. Damit werden künftig sogenannte paraffinische Kraftstoffe wie E-Fuels und innovative Biokraftstoffe wie Hydrotreated Vegetable Oils (HVO) bis hin zur Reinform – und nicht wie bisher nur als begrenzte Beimischung bis zu 26 Prozent – zum Verkauf an Tankstellen zugelassen. Die Verabschiedung der Verordnung ist im ersten Quartal 2024 geplant.

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