Ziegers Zeilen (KW 41 - 42)
Nachdenken wäre ohnehin einmal gut. Eine Atempause.
Den Durchbruch bei den E-Autos soll jetzt eine Abwrackprämie ermöglichen. Klingt gut. Die letzte Abwrackprämie in Deutschland hat geholfen, den Fahrzeugbestand zu erneuern und die Konjunktur in Gang zu halten. Wir erinnern uns: Das war die Zeit der Weltfinanzkrise. Die Bundesregierung hat damals die Nerven behalten und in einer Kombination aus Finanzinstrumenten und Konjunkturstützen einen Zusammenbruch verhindert. Das damalige Programm hatte im Jahre 2009 fünf Milliarden Euro unter das Volk gebracht. Damit wurden dann knapp zwei Millionen Antragsteller bedient.
Mit der Verschrottungsprämie, so das Handelsblatt in einem Beitrag aus 2020, war Deutschland vor zehn Jahren Vorreiter für die meisten europäischen Länder. Wenig später folgten auch Frankreich, Italien und Großbritannien mit ähnlichen Förderprogrammen. Davon profitierten am Ende die starken deutschen Hersteller, die überall in Europa vertreten sind. Hochschullehrer Bratzel nahm das Programm damals auch gegen Mitnahmeeffekte in Schutz. „Wir brauchen die Belebung jetzt. Die Kette mit Herstellern, Zulieferern und Händlern muss wieder in Gang kommen“, betont der Professor. Wenn die Nachfrage später wieder falle, sei die Branche stark genug, um eine Delle auszuhalten.“ 2020 wurde Abwrackprämie im Rahmen der Corona-Pandemie erneut diskutiert, aber letztendlich nicht umgesetzt. Seitdem gab es Förderprogramme für E-Autos, die mittlerweile aber – freundlich formuliert – ausgelaufen sind.
Soweit zur Historie und zu den damaligen Rahmenbedingungen. Jetzt wird erneut über eine Abwrackprämie diskutiert. Ein Vorschlag stammt von der SPD-Bundestagsfraktion und ist schon ein paar Tage in der Welt. Dabei handelt es sich aber eher um eine Wechselprämie.
Der neue Vorschlag stammt von der Umweltorganisation ICCT, das ist das International Council on Clean Transportation (ICCT, zu deutsch etwa Internationaler Rat für sauberen Verkehr) und nach eigener Darstellung eine gemeinnützige Organisation mit der Aufgabe, von Lobbyisten unbeeinflusste Forschung zu betreiben und technische und wissenschaftliche Analysen für Umweltbehörden zu erstellen. Laut TAZ sind die Rahmendaten folgende: Alle Dieselfahrzeuge, die mindestens 15 Jahre alt sind und alle Benziner im Alter von mindestens 25 Jahren werden verschrottet, die Besitzer*innen bekommen 80 Prozent des Restwertes ihres Fahrzeugs erstattet und steigen anschließend auf emissionsfreie Mobilität um.
Der Kostenpunkt für diese Maßnahme: 35 Milliarden Euro in Deutschland. Hierzu nur eine kleine Erinnerung: Die vom Umfang her wesentlich kleinere Maßnahme, nämlich die Kaufprämie für Stromer, wurde über Nacht eingestellt. Begründung: Es ist kein Geld mehr da. Ähnlich, aber mit Verzögerung, gingen auch andere europäische Länder vor.
Vorteile: Die Maßnahme würde ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Deutschland einsparen. Das sind elf Millionen Tonnen. Elf Millionen ist doch schon mal ein Wort. Der Verzicht auf E5 zugunsten von E10 würde von einem Tag auf den anderen etwa vier Millionen Tonnen CO2 einsparen helfen. Und das würde überhaupt nichts kosten. Und dabei geht es nur um eine kleine Umstellung.
Ein anderes Problem, jedenfalls aus Sicht von ICCT, Zitat: „E-Fuels, also künstlich hergestellte Kraftstoffe, bringen dagegen wenig. Sie würden höchstens 190.000 Tonnen CO2 einsparen – viel weniger als die Verschrottung alter Autos.“ Das Argument dagegen: Solange es nicht genügend Herstellungsorte gibt, bleiben die E-Fuels teuer. Und werden nicht produziert. Wir brauchen Planungs- und Investitionssicherheit. Dann geht es. Wenn ein Investor investiert, will er sein Geld irgendwann zurückerhalten und neues damit verdienen. Und dann wird er auch mehr produzieren. Solange es keine Planungssicherheit gibt, bleibt es so wie es ist. Ändert sich das, dann werden E-Fuels auch preiswerter.
Natürlich hat das ICCT auch einen anderen Vorschlag bereit: Erhöhung der Kosten für die Betreiber von den betroffenen Fahrzeugen. Kostet kein Geld, erhöht den Druck auf die Autofahrer. Zitat dazu aus der TAZ: „Sinnvoller wäre dennoch, zu intervenieren, noch bevor Autos überhaupt auf die Straße kommen, meint Mock – beispielsweise durch strenge CO2-Standards bei Neuwagen. Oder durch eine Kfz-Steuer, die Käufer emissionsreicher Autos belastet und die emissionsarmer Fahrzeuge entlastet. Das wäre effektiver und günstiger als eine Abwrackprämie.“ Ob es hilft, weiß man nicht. Die preiswerten Stromer fehlen. Jedenfalls aus Deutschland. Die ausländischen sind von Strafzöllen betroffen. Jedenfalls vorläufig.
Übrigens, und das steht auch in der TAZ: So ein System befürwortet auch Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. „Der Gewinn aus so einer Kfz-Steuer könnte dann zum Beispiel Ladestrom für E-Autos bezuschussen“, sagt Bratzel. Er gibt zu bedenken, dass eine einmalige Abwrackprämie die Nachfrage nach klimafreundlicheren Transportmitteln nur kurz in die Höhe treiben würde. Ende des Zitats.
Um den Stand der Diskussion zu verdeutlichen, ein Zitat aus der Online-Ausgabe des Focus: „E-Fuels sind dabei sehr heterogen: In der Regel werden sie aus Biomasse hergestellt, also zum Beispiel Raps oder Weizen. Die Herstellung aus Palmöl ist in Deutschland mittlerweile verboten. Theoretisch ließen sich E-Fuels auch aus Wasserstoff oder CO2 aus der Luft gewinnen. Diese Techniken sind aber noch nicht so verbreitet.“ Das wissen wir doch besser. Beides sind synthetische Kraftstoffe. Das erste ist HVO, also Klimadiesel, das zweite ein echtes E-Fuel. Wenn das der Stand der wissenschaftlichen Diskussion ist, dann sollte man noch einmal nachdenken.
Nachdenken wäre ohnehin einmal gut. Eine Atempause. Im Moment ist zu viel Hektik drin. Und schon ein bisschen Wahlkampf. Das sollte man ändern. Im Interesse des Klimas, der Umwelt und derjenigen, die man fördern möchte. Zum Beispiel die deutsche und europäische Autoindustrie. Und nicht zuletzt auch die, das alles bezahlen sollen.
Schönes Wochenende
Stephan Zieger