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Verkehrssicherungspflicht – Jedes Jahr neu und immer aktuell

Verkehrssicherungspflicht – Jedes Jahr neu und immer aktuell

 

Am 17. Januar herrschte Schneeglätte; der Kläger stürzte gegen 9.10 Uhr beim Verlassen des Mietshauses auf dem Kopfsteinpflaster des nicht geräumten Streifens des öffentlichen Gehwegs im Bereich des Grundstückseingangs vor dem Anwesen der Beklagten. Durch den Sturz zog er sich Frakturverletzungen am rechten Innenknöchel zu. Die Klägerinnen […] und ein gesetzlicher Pflegeversicherer […] verlangen von den beiden Beklagten […] Schadensersatz wegen eines Glatteisunfalls.

 

So ähnlich beginnen viele Urteile, die ihren Ursprung zeitlich in der dunklen Jahreszeit und rechtlich im Bereich der Verkehrssicherungspflicht haben. Regelmäßig sind Verhaltenspflichten verletzt worden sind, die eigentlich bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt vermeidbar gewesen wären.

 

Als einfacher Merksatz gilt, dass derjenige, der einen Verkehr eröffnet oder ihn duldet, für die Beseitigung potentieller Gefahrenquellen einstehen muss. Dabei kommt es nicht darauf an, jede erdenkliche Gefahrenquelle zu beseitigen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil einmal wie folgt geurteilt: „Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.“

 

Dazu sind eine Reihe von Grundsätzen aufgestellt worden. Am einfachsten ist eine zeitliche Abgrenzung. Werktags muss der Winterdienst in der Regel von 7 Uhr bis 20 Uhr geleistet werden, an Sonn- und Feiertagen ab 8 beziehungsweise 9 Uhr. Aber Achtung: An Orten mit hohem Publikumsaufkommen – dazu gehören auch Tankstellen mit einem gutgehenden Shop – muss noch bis in die späten Abendstunden geräumt und gestreut werden, um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen. Und wenn Sie an Sonn- und Feiertagen schon deutlich früher frequentiert werden, beginnt auch Ihre Verkehrssicherungspflicht entsprechend früher. Gefahrenquelle für Haftungen sind auch Gehwege, für die der Straßenbaulastträger die Reinigungs- und Räumpflicht auf die Anlieger übertragen hat. Es reicht also nicht, alleine das eigene Gelände in Augenschein zu nehmen.

 

Auch ist nach Art der Gefährdung zu unterscheiden. Bei Glatteis muss sofort gehandelt werden. Bei Laub oder leichtem Schneefall gibt es Beurteilungsspielräume. Entsteht die Gefahrenquelle sofort wieder, z.µB. eine Schneedecke bei dichtem Schneetreiben, kann zugewartet werden, bis eine entsprechende Gefahrenbeseitigung möglich ist. Auch hier gilt es nach dem Grad der Gefährdung zu unterscheiden.

 

Gefahrenbeseitigung kann auch erreicht werden, indem man einen Bereich deutlich sperrt. Dies gilt beispielsweise für dunkle Stellen, in denen sich immer wieder Eis- und Schneeflächen bilden. Ist die Stelle dann deutlich gesperrt, kann der Verkehrssicherungspflichtige sich darauf verlassen, dass ein verständiger Verkehrsteilnehmer  diese Absperrung auch beachtet.

 

So kann der Platz an den Staubsaugern oder am Reifenprüfgerät auch komplett abgesperrt werden. Gerichte haben schon geurteilt, dass keine oder nur eine teilweise Haftung bestand für Flächen an den Selbstwaschboxen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Allerdings kann hier bei tieferen Temperaturlagen eine komplette Schließung in Betracht kommen.

 

Wird die Verkehrsfläche einer Tankstelle oder Waschanlage als Abkürzung für Fußgänger genutzt und dies auch geduldet, führt auch die Duldung eines derartigen Verkehrs nach Ansicht von Gerichten zur Eröffnung einer Verkehrssicherungspflicht. Anders dürfte dies sein, wenn sich die dunklen Ecken lange nach Feierabend und außerhalb der Räumzeitpunkte als nächtlicher Treffpunkt für Jugendliche und Heranwachsende entwickeln.

 

Viele Urteile erreichen die höchsten Gerichte nicht, weil der Streitwert oder die Bedeutung der Sache zu gering ist. Deswegen ist vieles auch der Interpretation der örtlichen Gerichte überlassen. Unser Ratschlag kann hier nur lauten, die Gefahrenlage seiner eigenen Station und dem Gelände rundum in Augenschein zu nehmen. Räum- und Reinigungsarbeiten können durchaus Dritten, so einem gewerblichen Räumdienst, übertragen werden. Sie sollten diesen dann allerdings überwachen und kommen in keinem Fall aus der Haftung heraus.

 

Und immer gilt, haben Sie Zweifel, dann ziehen Sie auch rechtskundige Berater hinzu. Dies dürften Anwälte aber auch der Bundesverband Freier Tankstellen in Bonn sein. Ein örtlicher Anwalt kennt natürlich die Rechtsprechung „seines“ Amts- oder Landgerichts besser.

 

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