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Wissenswertes rund um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Manchmal sind Abläufe vom Zufall geprägt, manchmal kommen sie einem auch merkwürdig vor. Über einen solchen merkwürdigen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt zu urteilen. 

Als am 8. Februar 2021 der Arbeitgeber kündigte, legte die Arbeitnehmerin prompt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vor, die den gesamten Kündigungszeitraum abdeckte. Der Arbeitgeber wollte sich damit nicht abfinden und verweigerte die Entgeltfortzahlung. In den Klageverfahren vor den Untergerichten war die Klägerin erfolgreich. Die Gerichte verließen sich auf die Beweiswirkung der AU. Tatsächlich geht von ihr ein sehr hoher Beweiswert aus. Sie ist, wie das Gericht ausführt, das amtlich zugelassene Beweismittel.

In solchen Fällen kann nur ein sehr hoher Zweifel die Wertigkeit der Bescheinigung erschüttern. Gravierend ist ein Zweifel dann, wenn er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen anderen Geschehensablauf nahelegt. Juristen nennen dies einen substantiierten Vortrag. Und nahe lag hier ein anderer Geschehensablauf. Zuerst erfolgte eine Kündigung und dann postwendend eine Krankmeldung, die den gesamten Kündigungszeitraum abdeckte. 

Das sah das Bundesarbeitsgericht ebenfalls so und forderte die Klägerin auf, die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachhaltig zu untermauern. Allerdings ist nach solch substantiiertem Vortrag nicht gleich das Gegenteil erwiesen. Der Arbeitnehmer hat weiterhin Gelegenheit, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Die Klägerin hat im entschiedenen Fall diesen Vortrag nicht erbracht. Von daher war für das Arbeitsgericht klar, dass die Klage abzuweisen war. Der Arbeitgeber hatte im vorliegenden Fall die Glaubwürdigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachhaltig erschüttert. 

Der Fall zeigt, dass der Arbeitgeber nicht immer schutzlos gegenüber solchem Vorbringen ist. Er ist allerdings gehalten, sehr genau und sehr exakt vorzutragen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021, Aktenzeichen 5 AZR 149/21) 

Diese Regeln gelten

Übrigens: Rund um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ranken sich einige Legenden und Falschinformationen. Es ist falsch zu denken, die Krankmeldung müsse erst ab dem dritten Krankheitstag beim Arbeitgeber erfolgen. Das Gegenteil ist der Fall. In § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes steht zum Zeitpunkt der Krankmeldung Folgendes: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.“ Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, also – soweit möglich und zumutbar – vor Beginn der Arbeitszeit.

§ 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes sagt darüber hinaus Folgendes: „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.“ Heißt im Klartext: Am vierten Tag muss der Arbeitgeber im Besitz der AU-Bescheinigung sein.

Apropos Tag: Bei der Dreitagesfrist der Krankmeldung in Form der AU nur Arbeitstage zu zählen, ist falsch. Das Gesetz spricht hier von „Tagen“ und nicht von Arbeitstagen. Bei der Berechnung der Frist für die Vorlage der Bescheinigung spricht das Gesetz von Arbeitstagen. Das heißt, dort wo von Tagen die Rede ist, müssen sowohl Samstag, Sonntag und auch Feiertage mitgerechnet werden.

Zur Benachrichtigung der Erkrankung reichen nach vielfacher Rechtsprechung Fax oder E-Mail aus. Besser ist das Telefon. Für die Übermittlung der Bescheinigung genügt eine E-Mail und ein Fax. Verlangt der Arbeitgeber allerdings die Originalbescheinigung, ist diese unverzüglich nachzureichen.

Stephan Zieger, bft-Geschäftsführer

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