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Ziegers Zeilen (KW 15)

Haben Sie Harald Lesch gesehen? Er zerlegt E-Fuels. Mit bloßer Gedankenkraft. Für diejenigen, die Harald Lesch nicht kennen: Lesch ist Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München. Er war ein bisschen der Star von vielen Gegnern der Elektromobilität, weil er sich in einem Beitrag auf YouTube gegen Stromer gewandt hat. Damit wurde er oft zitiert. Später hat er das korrigiert. Den Ablauf seiner Meinungsänderung finden Sie hier. Jetzt hat er nachgelegt. Er beschäftigt sich mit den E-Fuels. Die Texter der Überschrift für seinen YouTube-Beitrag haben getitelt: „Harald Lesch ZERLEGT E-FUELS! Synthetische Kraftstoffe wissenschaftlich analysiert | Terra X“ Die Argumente sind in den Grundzügen die gleichen Argumente, wie sie die Karlsruher Professoren vom Fraunhofer Institut aufgeführt haben.

Auffällig an dem Beitrag ist: Es ist keine echte Physik. Es ist Meinung mit Physik und Lehrautorität verbrämt. Politische Meinung. Professor Lesch nutzt seine Autorität als Wissenschaftler, um politische Meinung pro Elektromobilität durchzusetzen. Das darf er. Er sollte es aber deutlicher sagen. Das tut er nicht. Er tut so, als ob seine Meinung wissenschaftlich ist. E-Fuels mit erneuerbarem Strom zu erzeugen, zieht er in Zweifel. Denn wer für E-Fuels plädiert, plädiert für den massivsten Ausbau der erneuerbaren Energie. Ja, da hat er recht (Minute 7.30). Warum zweifelt er daran? Doch nicht deswegen, weil E-Mobilität mit dem gleichen Einsatz nicht möglich ist, weil nicht genug Strom aus erneuerbaren Energien in unseren Breiten zur Verfügung steht. Ja, da hat er recht. Die Bedingung, ohne die es nicht geht, wird für die Stromer so schnell nicht eintreten. Für die E-Fuels sicherlich ja. Aber ganz zerlegen, wie es die Überschrift zeigt, will er die E-Fuels doch nicht. Dass es technisch möglich ist, bestreitet er nicht. Dann zweifelt er, ob die weiteren Projekte überhaupt finanziert werden können (Minute 9.54). Am besten ist das Argument später im Video (Minute 16.22). Die Produktion von E-Fuels ist finanziell nicht gesichert. Sowohl für den nationalen als auch für den globalen Bedarf. Das ist kein Argument aus der Physik. Denn dann müsste die Physik das für den Bereich der Elektromobilität ebenfalls sagen.

Dass E-Fuels doch wichtig und richtig sind, hört man in Minute 19. E-Fuels werden in jedem Falle hergestellt und genutzt. Das sagt er. Vielleicht kann ja Professor Lesch noch einmal nachdenken. Die Schwachstellen für E-Fuels liegen nicht in der Physik. Da hilft auch nicht der tolle Auftritt.

Und wenn E-Fuels Schwachstellen haben, dann der Strom hierzulande erst recht. Nachhaltige Mobilität kann der Strom alleine nicht gewährleisten. Im Unternehmensteil der FAZ auf Seite 26 stand am Dienstag ein Beitrag, der leider nicht in der Online-Ausgabe zu finden ist. Dort wurden Szenarien aufgezeigt, dass Wärmewende und Elektromobilität zu einer Mehrbelastung der Stromnetze führen. Das Szenario für 2030 sind 15 Millionen Elektroautos und sechs Millionen Wärmepumpen. Es macht Eingriffe in die Stromnetze erforderlich. In der Überschrift der gedruckten Ausgabe steht „Wenn der Ladestrom fürs E-Auto rationiert werden muss“. Helfen kann nur ein schneller Netzausbau. Netzagentur-Präsident Klaus Müller will einen Plan hierfür vorlegen. Die großen Stromkonzerne pflichten dem bei. Jetzt sind die Netzbetreiber am Zuge. Und für die stellt sich die Frage, wie das Geld für die Investitionen wieder hereinkommen soll. Diese Antwort bleibt der Beitrag schuldig. Das ist auch nicht seine Aufgabe. Aber die Netzbetreiber wissen eine. E.ON-Vorstandschef Leonhard Birnbaum wird mit dem „angemessenen Investitionsumfeld“ zitiert. Netzbetreiber ohne Namen werden so zitiert, dass es ihnen darum geht, „dass die Eigenkapitalrendite spürbar nach oben geschraubt wird“. Dass das kein Versprecher ist, kommt aus dem Zitat eines Sprechers der Netzagentur zutage: „Wir haben die Verzinsung des Eigenkapitals im Blick.“

Wer sagt denn, dass E-Fuels zu teuer und zu ungewiss sind? Aber das wird die Netzagentur sicherlich nicht beantworten. Das sollte Harald Lesch beantworten. Unter dem Artikel steht als Überschrift zu einem anderen Thema „Die große Bonanza mit künstlicher Intelligenz“. Dieser Markt wächst und wächst. Wie gut, dass das ohne Strom funktioniert. Oder haben wir uns da vertan …

Ihr Stephan Zieger

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