Ziegers Zeilen (KW 25)
Kennen Sie die Mustermanns? Ein paar von Ihnen sicherlich. Die mit dem Personalausweis. Oder die von der Kredikartengesellschaft. Die Familie ist recht groß. Und viele sind Pioniere. Unsere Mustermanns haben eine Tankstelle. In Niedersachsen. Auf dem Land. Da, wo die Welt noch in Ordnung ist.
Mustermanns haben sich entschlossen, erste Erfahrungen mit Elektromobilität zu sammeln. Die Idee: Eine Ladesäule muss her. Als Einstieg geeignet, das Programm Ladeinfrastruktur vor Ort (2021), das Installationen bis 50 kW mit einem Förderbeitrag von 80 Prozent stützte. Unterstützt von den entsprechenden Fachleuten erhielt man eine Zusage und begann mit der Umsetzung. Probleme mit dem Netzbetreiber, bürokratische Umständlichkeiten und vieles andere sorgten für Verzögerungen. Allein diese Dinge wären eigene Zeilen wert. Das lassen wir aber heute mal beiseite.
Als Mustermanns dann endlich so weit waren, war der Hersteller der Säulen insolvent. Die genehmigte und dann auch beauftragte Ladesäule war demzufolge nicht mehr lieferbar. Damit wäre die Geschichte zu Ende gewesen. Eigentlich. Aber Mustermanns wollten so schnell nicht aufgeben. Schließlich waren sie im Besitz eines rechtskräftigen Förderbescheides. Da eine 50-kW-Säule nicht mehr lieferbar war, beschlossen sie, eine 150-kW-Säule anzuschaffen. Und ganz wichtig. Die Mehrkosten gegenüber dem Förderbescheid wollte man alleine tragen. Soweit, so gut. Mustermanns waren stolz auf ihre Idee, schließlich wäre die Ladesäule im kleinen Örtchen eine echte Bereicherung der Infrastruktur gewesen.
Mustermanns erinnerten sich an die Förderrichtlinien. Da stand dieser kleine Satz am Ende: „Bitte kontaktieren Sie uns jedoch vor Auftrags- bzw. Zuschlagserteilung, damit die Förderfähigkeit der Ladeeinrichtung geprüft werden kann.“ Mustermanns kontaktierten den Fördergeber. Antwort kurz und knapp. Nein, das geht nicht. Das entspricht nicht dem Förderbescheid. 50 kW sind nicht 150 kW. Mustermanns gaben nicht auf und intervenierten erneut. 50 kW gehen nicht mehr. Und 150 kW sind doch mehr als 50 kW. Wir wollen auch nicht mehr Geld. Und das meinten sie auch so. Keine zusätzlichen Euro.
Jetzt weiß man nicht, woran es lag. Der Fördergeber gab nach und signalisierte Zustimmung. Hurra! Das Nachgeben war aber nur scheinbar. In der Zustimmung untergebracht war die Auflage, die 150-kW-Säule auf 50 kW abzuregeln, und das für sechs Jahre. Die gesamte Förderdauer. Den Spaß haben Mustermanns nicht vertragen. Das Verfahren ruht im Moment.
Ein Einzelfall? Auf der Messe in Essen tauchte am bft-Stand ein naher Verwandter der Mustermanns auf. Er betreibt eine Tankstelle im nördlichen Bayern. Nach Ablauf des Verfahrens sah sich der ausgesuchte Lieferant nicht mehr in der Lage, die genehmigte Säule zu liefern. Sie war schlichtweg nicht mehr Bestandteil seines Portfolios. Auch hier die gleichen Fragen und die gleichen Antworten.
Schade eigentlich. Da gibt es Mittelständler, die wollen mitmachen bei der Transformation. Die wollen ihren Beitrag leisten. Aber sie verheddern sich im Förderdschungel, finden keinen Projektpartner der sie auf Augenhöhe behandelt, oder sie finden in ihren Verträgen Klauseln, dass ein Genehmigungsverfahren durch den örtlichen Energielieferanten auch einmal bis zu zwölf Monate dauern kann. Auf unserer Messe haben wir viele dieser Geschichten gehört.
Was kann man tun? Ohne den Mittelstand wird keine richtige Wende funktionieren. Die Situation ist noch so, dass es kein Überangebot an Ladeninfrastruktur gibt. Mit zunehmender Fahrzeugzahl wird die Notwenigkeit weiterer Angebote immer wichtiger. Wenn ein großer Anbieter an seinem Standort auf Schwierigkeiten stößt, stellt er diesen gegebenenfalls zurück. Wenn ein Mittelständler ein Vorhaben zurückstellt, wird es – zumindest vorübergehend – nicht verwirklicht. Wo auch? Und in der Folge fehlen Mittelständler in der schönen neuen Welt der Elektromobilität. Das wäre schade. Mittelständler sind das Salz in der Suppe. Aber das wissen Sie selbst.
Denken Sie mal darüber nach. Und denken Sie dabei auch an die Mustermanns.
Ihr
Stephan Zieger