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Ziegers Zeilen (KW 39)

Von zwei pessimistischen Professoren, von Technologieoffenheit als Schlüssel für die Zukunft und von einer guten Nachricht aus Jülich

Erinnern Sie sich an die vergangene Woche. Da haben wir unter anderem über Ferdinand Dudenhöffer gesprochen. Den Professor und Autopapst. Er wurde gefragt, wie er den Stand der Elektrifizierung im Nutzfahrzeugsektor bewerte. Die Fragesteller des Merkur befürchteten, auf Europa käme ein großes Problem der Energieversorgung zu? Kritische Stimmen sogar, dass ein derartiger Kraftakt nicht zu bewältigen sei. Dudenhöffers Antwort hier wörtlich zitiert: Bei derartigen Bekundungen handelt es sich um reine Polemik. Das kommt womöglich von Verbänden, bei dem die Leute alle mit Diesel-Lkw durch die Gegend fahren und auch dabei bleiben wollen. Die Umwelt interessiert sie dabei überhaupt nicht.

Warum wir auf den Autopapst zurückkommen? Weil es kluge Köpfe gibt, die sich Gedanken über die Energiewende und die Stromversorgung machen. Die allerdings fahren nicht mit Diesel – LKW durch die Gegend. Vermutlich gibt es darunter auch nicht wenige, die einen Stromer fahren. Gedanken über die Zukunft der Stromversorgung machen sich die Betreiber von Rechenzentren. Die künstliche Intelligenz fordert ihren Tribut. Die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft auch. Strom ist Mangelware. Grüner Strom jedenfalls. Im Strommix 2023 kamen 56 % des Bedarfs aus erneuerbaren Quellen. In zwei Jahren müssen alle Rechenzentren zu 100 % grünen Strom beziehen. Diesen am Standort zu erhalten wird schwierig. Gelingt dies nicht, müssen die Rechenzentren wandern. In Deutschland will man schon bleiben, und auch wachsen, schon weil man von amerikanischen Rechenzentren unabhängig bleiben will. Das hat auch etwas mit den unterschiedlichen Datenschutzanforderungen zu tun.

Zitat aus dem Beitrag: Der Stromverbrauch aller Rechenzentren liegt bei 3,5 bis 4 Prozent (des öffentlichen Netzes). Der selber erzeugte Strom ist hierbei nicht enthalten. Je nach Rechenmodell wird sich der Strombedarf der Rechenzentren in Deutschland mehr als verdoppeln. 26 und sogar 31 Mrd. kWh sind die Perspektive. Frankfurt und Berlin sind die Hotspots für Rechenzentren. Dorthin grünen Strom zu transportieren ist aktuell schon eine Herausforderung. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum zumindest auf der beigefügten Karte für München kein Wachstum ausgewiesen wird. In NRW gibt es spannende Entwicklungen. Dort wird u. a. Amazon, so der Bericht, 10 Mrd. Euro in Rechenzentren investieren. 

Eine Randbemerkung, nur um aufzuzeigen wieviel 26 Mrd. kWh sind. Mit derselben Menge an Strom würde das Land Luxemburg mehr als vier Jahre lang über die Runden kommen.

Zurück zum Beitrag. Insgesamt Strom beispielsweise am Standort Frankfurt zu erhalten, ist, so wie wir den Bericht verstehen, auch schon eine Herausforderung. Die Stromkapazitäten der Stadt sind bis ins Jahr 2030 verteilt. Der Bericht beschreibt daher die Wanderung der Rechenzentren innerhalb der Republik nach Norden. Und auch die Probleme, den Strom vom Norden in den Süden zu bringen. Auch die Tatsache, dass dem Ökostrom schon mal das Netz abgedreht wird, um bei der Bewältigung einer Mangellage das Netz stabil zu halten. Das erfolgt dann aber nicht mit Ökostrom. Außerhalb Deutschlands gibt es Beispiele, die nachdenklich machen. Amazon kauft in Amerika ein Rechenzentrum, dass seinen Strom direkt aus einem benachbarten Kernkraftwerk bezieht. Microsoft will zum Beispiel zusammen mit dem arabischen KI-Unternehmen G42 Rechenzentren in Kenia errichten, die mit Geothermie betrieben werden. 

Genau wie die Rechenzentren immer mehr Strom und grünen Strom benötigen, werden andere Branchen mehr und mehr Strom brauchen. Grünen Strom. Und deswegen verstehen wir den Autopapst nicht. Das ist in der Tat eine begrenzte Sicht der Dinge. Da hilft es auch nicht, wenn sich neuerdings die Stimmen mehren, das noch nicht aufgehobene Verbrennerverbot nicht nur nicht aufzuheben, sondern es sogar als Schaden für die Strategie der Verkehswende zu bezeichnen. Nach Professor Dudenhöffer hat das jetzt auch Marcel Fratzscher getan. 

Der DIW-Präsident hat der neuen Osnabrücker Zeitung ein Interview gegeben, in dem er vor der Aufhebung des Verbrennerverbotes warnt. Zitat: „Die Entscheidung für die E-Mobilität ist gefallen. Nicht in Brüssel oder Berlin, sondern in China, in Indien, in den USA, im Rest der Welt. Wenn Europa und Deutschland einen Sonderweg gehen wollen, wird Volkswagen noch ein Viertel, maximal ein Drittel seiner Verkaufszahlen für eine Weile retten können. Dann werden sie nicht drei Werke schließen und fünf Prozent ihrer Belegschaft abbauen müssen, dann müssten zwei Drittel der Mitarbeiter nach Hause geschickt werden.“ So weit, so böse. Fratzscher arbeitet im Gegensatz zu Dudenhöffer wenigstens mit Argumenten. Aber auch er blendet vieles aus. Zum Beispiel die positiven Folgen der Technologieoffenheit.

Wie zum Beispiel diese Nachricht. Einen bemerkenswerten Fortschritt hat man nämlich in Jülich erreicht. Dort produziert das Schweizer Unternehmen Synhelion erstmals umweltneutrale Treibstoffe mit Solarenergie. Luft- und Schifffahrt sowie Straßenfahrzeuge und Bahnen sollen versorgt werden. Synhelion hat  jetzt gezeigt, dass es eine weitere Möglichkeit gibt, ein E-Crude oder wie es die Forscher in Jülich nennen, ein Syn-Crude zu produzieren. Dieses Syn-Crude wird dann in Raffinerien zu klimaneutralen Kraftstoffen veredelt. Dass sie es können, haben Forscher jetzt bewiesen. 

Wie es funktioniert, beschreibt der Beitrag in der Online-Zeitscrift  "ingenieur.de". Die Forscher von Synhelion entwickeln jetzt die nächstgrößere Anlage, die dann auch in sonnenreicheren Gegenden als Jülich aufgestellt werden kann. In den von Synhelion geplanten Nachfolgeanlagen sollen Treibstoffe mit Kosten von einem Euro pro Liter hergestellt werden. Vielleicht ist Technologieoffenheit doch der richtige Weg. Wir haben das nie bestritten. Marcel Fratscher und Ferdinand Dudenhöffer sollten sich vielleicht einmal in Jülich zur Besichtigung anmelden.

Letzte Woche dürfte ich meine Zeilen auf dem 70. Geburtstag der Zeitschrift Tankstelle vortragen. Das war für mich eine große Ehre und eine große Herausforderung und es hat mir Spaß gemacht, auch einmal länger über die vielen Ungereimtheiten bei der Energie- und Klimawende zu sprechen. Denjenigen, die mir geduldig zugehört haben, einen herzlichen Dank. Aber darüber wollte ich meine Abschlussbemerkung gar nicht machen. Beeindruckt hat mich, dass sich so viele mit guten Ideen und Elan den Zukunftsthemen widmen. Da ist noch viel Potential drin. Tankstellen werden auch in Zukunft wichtige Bestandteile der Energieversorgung und auch der Energiewende sein. Allen Gewinnern auf diesem Wege noch einmal herzlichen Glückwunsch.

 

Schönen Sonntag noch

 

 

Stephan Zieger

 

 

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