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Ziegers Zeilen (KW 49)

Heute wird es mal wieder ernst. Es geht um E-Fuels. Um eine wirklich komplizierte Gemengelage, in der alles mit allem zusammenhängt. Wir fangen an mit einem Bericht der FAZ vom Mittwoch. Der größte Teil steht hinter einer Bezahlschranke. Aber das, was abgedruckt ist, reicht aus. In der FAZ heißt es, dass der Verkehrsminister im Streit um den Verbrennungsmotor nachgegeben habe. Dazu erinnern wir uns erst einmal: Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte unter der Bedingung, dass E-Fuels Berücksichtigung in der „Verordnung über CO2-Normen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge“ finden, zugestimmt. Der Zielwert für den CO2-Ausstoß von 2035 liegt damit verbindlich bei 100 % Reduktion. Nach der Blockadedrohung wurde von Seiten des EU-Gesetzgebers der Erwägungsgrund 9a eingeführt, nach dem E-Fuels möglich sind und eine Reviewklausel von 2028 auf 2026 vorgezogen, die eine erneute Überprüfung der Emissionsreduktionsziele vorsieht. Im Gegenzug war vereinbart worden, dass die Kommission eine Definition eines Fahrzeugtyps vorlegt, der mit E-Fuels betrieben wird, aber dennoch der Verordnung entspricht. Denn CO2 stößt auch ein mit E-Fuels betriebenes Fahrzeug aus. Nur ist dieses CO2 vorher der Luft entnommen worden. Quasi der umgekehrte Verbrennungsvorgang. Damit hätten Verbrennungsmotoren noch eine Zukunft, so das Kalkül des Verkehrsministers.

Wissing hatte bislang darauf beharrt, dass der Weg von der Erzeugung bis zum Verbraucher keine Berücksichtigung finden dürfe. Ein klimaneutraler Transport sei nach derzeitigem Stand nicht gewährleistet. In einer anderen EU-Richtlinie, nämlich der Erneuerbaren Energie-Richtlinie, wird dies so auch akzeptiert. Hiergegen hatte sich vor allem der in die niederländische Politik abgewanderte EU-Kommissar Frans Timmermans gesperrt. Trotz der zunächst grundsätzlichen Zusicherung hielt die Kommission im weiteren Prozess allerdings fest, dass die mit E-Fuels betankten Fahrzeuge nur dann zugelassen werden, wenn der CO2-Austoß über die gesamte E-Fuel-Lieferkette im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 100 Prozent reduziert wird.

Im Ergebnis sieht der jetzt ausgehandelte Kompromiss so aus, dass bis 2035 eine Quote von 70 % ausreichend ist. Vom 1. Januar 2035 an liegt sie bei 100 %. Dem will die Bundesregierung nach dem Bericht der FAZ zustimmen. Das mag ein schöner Kompromiss sein, aber er ist nicht gerecht. Strom ist am heutigen Tage um 12.00 Uhr nur zu 33 % CO2-neutral. Wie die CO2-Quote aussieht mag jeder selber berechnen.

Aber zurück zu den Verhandlungen. Es zeigt, wie schwierig es ist, hier zu einer Einigung zu kommen. Nichts fürchtet die EU-Kommission offensichtlich mehr als die E-Fuels. Vielleicht gelingt es ja, auch den Transportweg CO2-neutral zu gestalten. Darauf setzt wohl offenbar Wissing, denn bis zum 1. Januar 2035 sind es ja noch ein paar Tage. Und der Flottenbetreiber Maersk aus Dänemark kündigt jetzt an, seine schon 2021 abgegebene Zusicherung eines CO2-neutralen Schiffstransport ab dem 1. Februar 2024 umzusetzen. Dann geht das erste von 18 bestellten mit Methanol getriebenen Containerschiffen aufs Wasser.

Die Auseinandersetzung zwischen EU-Kommission und EU-Parlament auf der einen Seite und der Bundesregierung und anderen Nationen geht derweil weiter. EVP-Chef Manfred Weber kündigt jetzt an, die Review-Klausel dafür zu nutzen, diese Entwicklung zu korrigieren. (Die Review-Klausel soll der Kommission 2026 zur Überprüfung dienen, ob die Emissionsreduktionsziele mit dem vorhandenen „Besteckkasten“ erreicht werden können.) Manfred Weber will das Verbrenner-Aus 2035 kippen. So läßt sich der EVP-Chef am heutigen Tage in einem Beitrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland zitieren.

Denn man los, hört man sich unwillkürlich sagen. Vor dieser Heldentat steht aber noch die Europawahl an. Diese findet am 9. Juni 2024 in Deutschland statt. In den anderen EU-Ländern davon abweichend zwischen dem 6. und dem 9. Juni 2024. Danach endet auch die Amtszeit der amtierenden Kommission. Eine neue Kommission wird es dann frühestens im November 2024 geben. Also wiegesagt. „Schau'n mer mal …!“

Schneller handeln will man bei einer Gruppe von Mittelständlern aus Deutschland, zu denen auch einige wohlbekannte Gesichter aus unserem Verband gehören. In einer stillgelegten Chemiefabrik in Steyerberg in Niedersachsen will man E-Fuels produzieren. Im Jahr 2026 soll die Anlage den Betrieb aufnehmen. 70 Millionen Liter E-Fuels sollen dort pro Jahr hergestellt werden. Die Vorprodukte für die E-Fuels will das neue Unternehmen daher nicht vor Ort in Niedersachsen herstellen, sondern aus Ländern beziehen, "in denen Wind- und Sonnenenergie ausreichend zur Verfügung stehen", betonte die Sprecherin. Sie sollen dann in Steyerberg zu synthetischen Kraftstoffen weiterverarbeitet werden.

All das macht Hoffnung, dass die Klimawende auch erfolgreich sein wird. Denn eines steht fest. Strom kann das, was er soll, nicht leisten. Es wird immer genügend Strom geben. Davon kann man überzeugt sein. Nur wird er nicht grün sein. Auf dem Weg zu einer erfolgreichen Klimawende gilt das alte Prinzip: „Jedes bisschen hilft. Und am Ende speist sich ein großer Strom aus vielen Rinnsalen.“

In diesem Sinne:

Ein schönes Wochenende!

Ihr Stephan Zieger

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